Training am Col du Semnoz – Projekt Bocal (2003-2004)
Im Rahmen des Projekts Bocal (2003 – 2004), einer von Boris Charmatz ins Leben gerufenen nomadischen und provisorischen Schule, trainieren die Teilnehmer am Col du Semnoz (Haute-Savoie) ausgehend von der Lektüre des Textes ‚Hauteur‘ von Christophe Tarkos (Oui, Ed. Al Dante, 1996).
BOCAL
Ein pädagogisches Projekt von Boris Charmatz
Im Rahmen einer dreijährigen Residenz für Forschung und kreatives Schaffen am Centre national de la danse, hat Boris Charmatz ab 2002 das Projekt BOCAL entwickelt, eine nomadische und provisorische Schule. Von Juli 2003 bis Juli 2004 umfasste diese Gruppe etwa fünfzehn Studierende mit sehr unterschiedlicher künstlerischer Ausrichtung, die die Modalitäten der Tanzausbildung überdenken und dabei die Frage nach der Kunst ins Zentrum stellen wollten.
Boris Charmatz spricht über diese Erfahrung, die die Gruppe von Wien über Annecy, Lyon, Brest, Chambéry oder Dubrovnik nach Pantin-Paris geführt hat.
„Kann man sich mit Schulen begnügen, die hauptsächlich für die Auditions einiger ‚funktionierender‘ Kompanien ausbilden, oder muss man nicht von einer Schule auch verlangen, die Geburtsstätte der Kunst von morgen zu sein? Wenn das der Fall ist, dann müssen die Modalitäten der Ausbildung in Frankreich umgehend überdacht werden.
Eine moderne Schule ist es sich schuldig, ein ästhetisches Projekt zu formulieren. Sie muss die Frage nach der Kultur stellen, die Frage nach der Kunst, die Frage nach der künstlerischen Lebendigkeit in einer sich rasant weiterentwickelnden Welt […]. Die Moderne ist ein Terrain der Kritik, der Standortbestimmung und der Infragestellung. Es reicht nicht aus, einfach nur mehr Fächer zu lehren, um bestmöglich ein immer disparateres Wissen zugrunde zu legen […], und es reicht auch nicht, sich zu fragen, welche Körpertechniken den Schüler weiterbringen, wenn es eigentlich um die Geisteshaltung geht.
Der Raum der zeitgenössischen Pädagogik ist daher notwendigerweise der Raum eines ästhetischen Projekts, das es den Künstlern gestattet, ihre eigene Körperkultur zu befragen. Aktuell produktive Künstler gehören ebenso ins Zentrum des Unterrichts wie die großen Vorbilder der modernen Kunst. Ihre Arbeiten müssen regelmäßig diskutiert werden, und zwar so, dass die künstliche Kluft zwischen den Studierenden und der Kunst von heute verringert wird. Einen Tänzer auszubilden, bedeutet vor allem, einen Künstler auszubilden: Er muss an seinem künstlerischen Weg arbeiten, ästhetische Entscheidungen treffen, wissen, was er tun will und was er nicht tun will, wenn er nicht von Audition zu Audition gereicht werden will.“
Schnitt: César Vayssié
Produktionsleitung: Angèle Le Grand