Choreografie: Boris

Charmatz

enfant

Das Stück wurde 2011 mit einer Gruppe von Kindern aus Rennes uraufgeführt. 2018 gab es eine Wiederaufführung mit einer Gruppe von Kindern aus Berlin.

Im Vorwort zu seinem Buch L’inhumain schreibt der französische Philosoph Jean-François Lyotard: „Der Worte nicht mächtig, unfähig zu stehen, zögerlich in Bezug auf die Gegenstände seines Interesses, unfähig, den eigenen Nutzen zu kalkulieren, unempfänglich für den Gemeinsinn ist das Kind das Menschliche schlechthin, denn seine Verlorenheit verdeutlicht die Ankündigung und das Versprechen des Möglichen. Sein anfänglicher Blick auf die Menschheit, der es zur Geisel der Erwachsenengemeinschaft werden lässt, manifestiert dieser Gemeinschaft ihren Mangel an Menschlichkeit, unter dem sie leidet, und ruft sie auf, menschlicher zu werden.“

Für dieses Projekt stellte Boris Charmatz im Ehrenhof des Papstpalastes ein Künstlerteam von neun professionellen Tänzerinnen und Tänzern Europas (Frankreich, Griechenland, Portugal u. a.) sowie 26 Kindern aus Rennes zusammen. Eine kleinere Gruppe von Kindern folgt den Tourneen mit den erwachsenen Tänzerinnen und Tänzern.

Als Verfechter von Überschneidungen und veränderten Wiederaufnahmen manipuliert Boris Charmatz den choreografischen Stoff, um so die zugrundeliegenden Paradoxien sichtbar zu machen und die Gewissheiten des Blicks zu verschieben. Tanz nach Fotos, Tanz mit einer Skulptur, Tanzlücke – jedes seiner Projekte ist ein Versuch der Annäherung zwischen plastischer Form und Bewegung des Körpers. Nach Levée des conflits, einer Spirale von in einer Endlosbewegung mitgerissenen Silhouetten, stellt seine neue Kreation in Bezug auf die Masse eine andere Frage: Wie kann man Reibungen und körperliche Ereignisse ohne den Einsatz von Muskelkraft erzeugen? In Fortsetzung der mit régi begonnenen Versuche mit Maschinen stellt er eine Choreografie für leblose Körper vor, einen Übergangsbereich, der von einem verstörenden Element namens enfant durchquert wird.

enfant – das Kind als eine formbare, zerbrechliche und unkontrollierbare Materie. Eine Ladung Realität, die das Gleichgewicht der Bühne erschüttert. Die kindlichen Körper werden von den Tänzerinnen und Tänzern getragen und abgelegt, sie erobern, vergrößern und modellieren den Raum. Aus ihrem Bezug zueinander entsteht ein Spiel von Anspannung und Entspannung, das Trägheitskraft und Veränderungsprozess miteinander verbindet. Es entfaltet sich ein merkwürdiges gefühlloses Ballett, in dem sich Inseln und bewegliche Ansammlungen bilden, aus denen instabile Begegnungen und hybride Morphologien entstehen – Bilder, die zwischen Ruhe, Traum und Reigen schweben. Nach und nach kehren sich die Verhältnisse um, die Grenze zwischen Groß und Klein, Profi und Laien, Belebtem und Leblosem löst sich auf und überlässt den Platz einer sich formenden Masse, die sich ungestüm ihren Weg bahnt und alles mit sich reißt: Übernahme oder Neuschöpfung, die den Kindern ihren Platz als ästhetische und politische Unbekannte in der Gleichung der Repräsentation zurückgibt.

Gilles Amalvi

 

Der Dokumentarfilm des enfants von Sophie Laly wirft einen Blick auf die Arbeit mit den Kindern während des gesamten Projekts.

 

Wiederaufnahme am 21. Juni 2018, Volksbühne, Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin

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Licht

Yves Godin

Kostüme

Laure Fonvieille

Ton

Olivier Renouf

Tonregie

Pierre Routin

Vokaltraining

Dalila Khatir

Inspizienz

Fabrice Le Fur

Orchestration Software

Luccio Stiz

Maschinen

Artefact

Frédéric Vannieuwenhuyse

Alexandre Diaz

Bühnenregie

Stéphane Potiron

François Aubry

Leitung der Produktion

Sandra Neuveut

Martina Hochmuth

Amélie-Anne Chapelain

Dudelsack

Erwan Keravec

Produktion

Musée de la danse / Centre Chorégraphique National de Rennes et de Bretagne – Leitung: Boris Charmatz. Gefördert durch das Ministère de la Culture et de la Communication (Direction Régionale des Affaires Culturelles / Bretagne), die Stadt Rennes, den Regionalrat der Bretagne und den Generalrat von Ille-et-Vilaine. Assoziierte Produzenten 2018: Volksbühne Berlin.

Uraufführung

7. Jul 2011, im Ehrenhof des Papstpalastes, Festival d’Avignon

Dauer

60min

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Besetzungen

Choreografische Assistenz
Johanna-Elisa Lemke
Katharina Meves
Interpretation
Nuno Bizarro
Matthieu Burner
Ashley Chen
Olga Duchownaja
Julien Gallée-Ferré
Peggy Grelat-Dupont
Maud Le Pladec
Thierry Micouin
Solène Wachter
Gruppe von Kindern aus Berlin

Koproduktion: Festival d’Avignon, Théâtre de la Ville, Paris, Festival d’Automne à Paris, Internationales Sommerfestival Hamburg und Siemens Stiftung im Rahmen von SCHAUPLÄTZE, Théâtre National de Bretagne (Rennes), La Bâtie-Festival de Genève, Kunstenfestivaldesarts (Brüssel) mit der außerordentlichen Unterstützung durch das Ministère de la Culture et de la Communication, den Regionalrat der Bretagne, die Stadt Rennes und Rennes Métropole.

 

Das Institut français / Ville de Rennes unterstützt regelmäßig in Zusammenarbeit mit der Ligue de l’enseignement d’Ille-et-Vilaine die internationalen Tourneen des Musée de la dance.

 

Mit Dank an: Or Avishay, Pierre Mathiaut, Julia Cima, Raimund Hoghe

Gastspiele

  • Rennes

    2011

  • Berlin

    2018