Anfang des 20. Jahrhunderts schrieb Arthur Schnitzler sein Bühnenstück Reigen, einen außergewöhnlichen Text von miteinander verbundenen Paaren. Das Werk löste einen Skandal aus, wegen der sexuellen Thematik – oder weil der Autor Jude war.
Eingeschlossensein in der Konstellation eines Paares und Unbegrenztheit der Kette, entlang derer sich die Körper verschieben und durch die Kette miteinander verbunden werden. Schnitzler beschrieb schonungslos Liebe und Sex anhand sozialer Figuren (die Schauspielerin, der Soldat, die Dirne, der Graf usw.). Er erfand ein Protokoll des durchlässigen Begehrens, das unter Spannung und ohne jede Konkordanz weitergegeben und auf den anderen übertragen wird. Die Dramaturgie des Stücks ist an sich schon ein Tanz, in dem sich die Paare nie verschließen, sondern stets auf den anderen zugehen.
Ich stelle mir eine endlose Kette von tanzenden, singenden und sprechenden Paaren vor. Die Körper bewegen sich, stoßen sich aneinander, umarmen sich, gehen auseinander und bleiben doch zusammen, verbinden sich im geistigen Raum, verankern sich, um eine Kontinuität des Lebendigen und des Begehrens aufrechtzuerhalten. Ich stelle mir eine Reihe verschlungener Paare vor, eine Landschaft von Paaren mit außergewöhnlichen Künstlerinnen und Künstlern, die sich an die Zeit hängen, um diese Glut mehrere Stunden lang zu halten.
Der Geschichte entnommene ikonische Episoden (von Don Quichotte bis Anne Teresa De Keersmaeker), eigens für diese Gelegenheit erfundene Duette, Auszüge aus Schnitzlers Werk, Künstlerinnen und Künstler, die die Sinne öffnen und das Publikum faszinieren. Ein Ereignis, das in seiner Länge von allen, Darstellenden und Zuschauenden, in einem sanften, lang anhaltenden, gemeinsamen choreografischen Glühen erlebt wird.
Boris Charmatz, Juni 2020
La Ronde im Grand Palais ist Thema des Dokumentarfilms Boris Charmatz face au Grand Palais von Claire Duguet und Sophie Kovess-Brun und des Films La Ronde de Boris Charmatz von Julien Condemine; beide wurden am 12. März 2021 auf France 5 ausgestrahlt.
Koproduktion: Festival d’Automne à Paris; le phénix scène nationale pôle européen de création und NEXT Festival; Compagnie de L’Oiseau-Mouche
Finanzierung: Die Region Île-de-France mit Unterstützung durch das Ministère de la Culture – Direction Générale de la Création Artistique
Mit Dank an: Gilles Amalvi, Salomon Bausch und Madeline Ritter – Pina Bausch Foundation, Irene Baumann, Rabih Beaini, Amandine Beyer, Pierre Boscheron, das Centre national de la danse, Marie Collin, Marion Cousseau, das CRR de Paris, Laurence Delamare, Michèle Delgutte, Marion Destenay, Olga Dukhovnaya, Aurélie Dupont, William Forsythe, Thierry Fouquet – Fondation Rudolf Noureev, Stefan Fraunberger, James Ginzburg, David Grellier, Thierry Guiderdoni, Michael Haneke, Veith Heiduschka, Polly Jackman, Eva Jaurena, Nora Lahlou, Julia Lanoë, Latitudes Contemporaines – Lille, Le Grand Sud – Lille, Anne Longuet-Marx, Sophie Lorthiois, Rikke Lundgreen für Pan Sonic, Christelle Masure, Françoise Michel, Eléonore Mirat, Pascal Morand, Opéra National de Paris, Charlemagne Palestine, Bruno Pavlovsky, Sophie Peltier, Maud Pouzin, Marlene Ropac, Rosas, Bénédicte Roumy-Bullier, Gerhard Ruiss, Nathalie Sander, Alexandra Scott, Tino Sehgal, Nadia Souquière, Alexandre Tharaud, das Théâtre du Châtelet, Matthias Tronqual und MC 93, Claire Van de Velde, Claire Verlet, die Stadt Lille, Thom Willems, Frank Willens, Otomo Yoshihide
La Ronde konnte dank der exklusiven Unterstützung durch CHANEL realisiert werden.